
Veröffentlicht von: Alexander Weisser Allgemein 0 Kommentare
Gitarrenmusik zum Träumen
Micha Kern zeigt sein Können bei seinem Konzert im Traunsteiner NUTS
Micha Kern zeigt sein Können bei seinem Konzert im Traunsteiner NUTS
Traunsteiner Tagblatt | veröffentlicht: 24.02.2024 | von Margit Bischlage
Micha Kern, der Gitarrenmann aus Übersee hat dem Publikum im Trausteiner NUTS einen Abend mit träumerischer Musik beschert, der die Alltagssorgen vergessen machte. Dass es für den Klang eines kleinen Orchesters nur einer Gitarre und eines virtuosen Musikers bedarf, bewies der sympathische Künstler eindrucksvoll. Seit er seinen erlernten Beruf als Ingenieur vor ein paar Jahren an den Nagel gehängt hat, widmet Micha Kern seine Energie unerschütterlich „Against All Odds“ (allen Widrigkeiten zum Trotz) – das sind die Titel eines seiner zwei CD-Alben ö den Konzertauftritten sowie seinen Musikschülern.
„Songs Without Words“ – es braucht keine Worte, um als Zuhörer seines Spiels sofort in die betreffenden Stimmungen einzutauchen, die ihn zu seinen vielen Eigenkompositionen angeregt haben, das Spektrum einer ganzen Band auf den sechs Saiten der Gitarre umfassend. Micha Kern erklärte anschaulich, wie der Daumen die Rolle in den tiefen Tonlagen als begleitende Basis übernimmt, die übrigen Finger die Melodie dazu spielen und die Percussion abwechslungsreich auf dem Körper des Instruments geschlagen werden kann.
Stilistisch lässt sich seine Herkunft aus Übersee durchaus auch amerikanisch deuten, orientiert er sich doch gerne bei Ragtime, Funk und Soul sowie Vorbildern wie Merle Travis, dessen „Cannonball Rag“ er mit beeindruckendem Tempo interpretierte, und Tommy Emmanuel mit einem Arrangement von „Old Town“ oder „Tall Fiddler“ im rasanten Fingertanz.
Eine weitere Anregung zu seinen Kompositionen liefern tief empfundenes Naturverständnis und Heimatliebe, atmosphärisch dicht zu erspüren bei „Mare e Monte“ (über warmen Untertönen gleitet die sanfte Melodie), oder „Warm Rain“, wohliges Tröpfeln vermittelt durch flinkes Fingerpicking. Diese Technik begleitete Micha Kerns Vortrag durchgängig, sie mache ihm so unheimlich viel Spaß – das ist hörbar.
Lautmalerisch tauchten die Zuhörer bei „Flying Dolphins“ in die Tiefsee ab. In „Bravely“ auf flotten Riffs und dem beschwingten „Flowing“ sprach Mich Kern diskret verschiedene Lebenssituationen an. „Colors Of Last Summer“ weckten verzaubernde Erinnerungen, die schmissige Jazznummer „Lakeview Hotel Blues“ erinnerte an quirligen Badebetrieb am See bis so machen Füße im Boogie-Fieber zappelten und die Saiten glühten. Die Erinnerung an freundlichen Pensionswirte „Tiziana e Sebastiano“ verbreitete italienisches Flair.
Mit dem Gitarristen Christian Lechner präsentieret Micha Kern einen Überraschungsgast. In gegenseitiger Sensibilität demonstrierten die beiden Musiker mit „You And I“ wie in einem Frage- und Antwortspiel freundschaftliche Harmonie durch filigrane Melodien und solide Begleitungen. Die Beiden spielen immer wieder zusammen, seitdem sie sich auf einer offenen Bühne in Übersee kennengelernt haben. „Good Vibes“ ruhig strömend, ließ Raum für plastisches Flageolett und Etouffee – abgedämpfte, getupfte Töne. Gutes Zuhören war schließlich gefragt, um „House OF The Rising Sun“ und verschiedene Titel aus dem „Beatles-Medley“ in variationsreichen Cover-Versionen aufzuspüren. „Windy And Warm“ rief eine chromatisch anklingende Naturstimmung vor das innere Auge.
Weitere Titel aus den zwei Alben veranschaulichten die Stilrichtungen und sauberen Spieltechniken Kerns, eine Erinnerung an einen sonnendurchglühten Urlaub in Spanien, „Spanish Tornado“ mit Flamenco-Anklängen, sollte das Konzert beschließen. Doch da brauste noch der „Crazy Train“ schnaufend, tutend und stampfend zum Abschied als erbetene Zugabe, die mit einem weiteren, von beiden Gitarristen gemeinsam gespielten Song, der so neu ist, dass er noch keinen Titel gefunden hat, zum begeistert applaudierten Schlusspunkt eines Gitarrenkonzerts führte, das bei aller Professionalität auch die Seele zum Träumen anregte und den Alltag vergessen ließ.
Margit Bischlage
0 Kommentare